Dienstag, 21. August 2012

Grenzen wo keine sind

Im fernen Osten der Schweiz war es für mich ja selbstverständlich in einem Dreiländereck zu leben. Man bleibt zwar meist auf der gewohnten Seite, doch das Bewusstsein stets die Seite wechseln zu können gefällt mir ganz gut.
Hier in den kaukasischen Bergen ist meine Bewegungsfreiheit nahezu unbegrenzt. Manchmal stellt sich mir ein Fels in den Weg oder Brombeersträucher verhindern mein Weiterkommen. Und doch wird mir in dieser Weite immer wie klarer, dass sich die Vorstellung nationaler Separation hinter vielen Bäumen und Felsen versteckt.
Grenzfluss Bneli Kheoba (Dunkle Schlucht)
Wandere ich friedlich in Gedanken versunken (natürlich in geschäftliche, denn meine momentane Arbeit besteht hauptsächlich aus Wandern) werde ich plötzlich aus meiner Ruhe gerissen und georgische Grenzwächter stoppen mich. "Wo ich denn hin wolle", "ob ich denn keinen Guide bei mir hätte", "was, wenn ich verloren ginge". Nach beruhigenden Floskeln meinerseits und der Versicherung, dass ich hier arbeite und nicht verloren ginge kann ich meinen Reise fortsetzen. Und tatsächlich ich bin nicht zufällig nach Azerbaijan gestrauchelt.
Grenzsee Shavi Klde Tba (Schwarzfelssee)
Also noch weiter in die Wildnis und weg von der konstruierten Bürokratie! Auf in den grossen Kaukasus zum Schwarzfelssee auf rund 3000 m.ü.M. Die Wanderung (auch diesmal im Dienste der Wissenschaft) dauert drei Tage und zieht sich durch dunkle Wälder, meterhohe Blumenwiesen und karge Berglandschaften. Am zweiten Tag erreichen wir hungrig und erschöpft den See. Dass hier die Grenze zwischen Dagestan und Georgien liegt lässt nur das GPS und die Karte erahnen. Obwohl - an den Hügeln erkennen wir die Pferde der Grenzwächter, welche über unser Verbleib von fernem wachen. Für fünf Minuten nach Dagestan zu gehen konnten wir uns aber dennoch nicht verkneifen. Und wer hätte es erwartet, es fühlte sich nicht anders an. Meine Zweifel an der Idee der Nation bleiben wohl so beständig wie die vorgestellten Grenzen im Grossen Kaukasus.

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