Montag, 3. September 2012

Bärtige Invasion


Letzte Woche gab es in den georgischen Zeitungen eine neue Schlagzeile (obwohl wir hier in Lagodechi fast nie eine Zeitung zu Gesicht bekommen). „Rebellen aus Dagestan dringen nach Georgien ein“. Nahe der kachetischen Hauptstadt Telawi, rund eine Stunde von Lagodechi nahmen dagestanische Rebellen mehrere Personen als Geiseln. Nach einem Grosseinsatz der georgischen Polizei und Armee lautete das Fazit: 11 Rebellen und 3 georgische Beamte starben bei der Befreiungsaktion.
Eine tragische und auch sehr wunderliche Geschichte. Was die Rebellen in Georgien wollten bleibt im Dunkeln. Grundsätzlich konzentriert sich der Konflikt in Dagestan auf den Kampf zwischen den radikalen Salafisten (sie wollen einen unabhängigen islamischen Staat) und den gemässigten Sufisten (die einen Kompromiss mit dem russischen Staat aushandeln wollen). Ein weiterer Konfliktherd liegt in der Unabhängikeitsbestrebung der Salafisten vom russischen Staat. Jährlich gibt es viele Opfer, vor allem auch auf Seiten der Zivilbevölkerung.
In dieser knappen und unvollständigen Zusammenfassung fällt doch eines auf, die Konflikte begrenzen sich auf das russische Territorium. Weshalb sich dieser Konflikt auf Georgien ausdehnen soll ist schwer nachzuvollziehen. Der georgische Staat betont stets seine Unabhängigkeit vom früheren Zentrum Moskau und die muslimischen Minderheiten sind vor allem in den Grenzgebieten zu Azerbaijan zu finden. Und Sezessionsbewegungen konzentrieren sich hauptsächlich auf die Regionen Südossetien und Abchasien.
Zeltstation der georgischen Grenzwache an der dagestanischen Grenze
Der ganze Vorfall lässt viele Fragen offen, vor allem im Hinblick auf die momentane politische Situation. Wir stehen einen Monat vor den Parlamentswahlen und das bedeutet Wahlkampf auf allen Ebenen. Ich will festhalten, dass meine Analyse auf sehr wenigen Fakten beruht, denn diese sind schwer hier zu erhalten. Aber bekanntlich ist ein äusserer Feind, der die innere Sicherheit gefährdet stets ein nützliches Instrument für die waltende politische Elite. Wenn die Krise dann auch ohne Opfer auf Seiten der Geiseln gemeistert werden kann, so steht die Regierung als Garant der inneren Sicherheit da. Parallelen beispielsweise zu Russland sind augenscheinlich. Der Präsident und seine Partei profiliert sich durch die Abwehr der Gefahren der innerer Sicherheit. Wenn wir dann noch zurück denken an die russische Rochade (Putin wird Premierminister, um in der nächsten Legislaturperiode wieder Präsident zu werden), fällt auf, dass ebenfalls Saakaschwili die institutionellen Voraussetzung für seinen Machterhalt gebildet hat. Ein weiterhin kritisches Auge auf die Entwicklungen kann uns in nächster Zukunft weitere Erkenntnisse geben.


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