Dienstag, 2. Oktober 2012

Natürliches Wahlverhalten

Die Parlamentswahlen 2012 sind vorbei. Die vorläufigen Resultate deuten auf einen Sieg der Opposition hin, zumindest bezüglich des absoluten Stimmengewinns. Die Herausforderungen für die georgische Politik scheinen aber erst richtig zu beginnen. Direktmandate gegen Proporzsitze, Präsident gegen Parlament, Stärkung des Parlaments 2013 und die Präsidentschaftswahl. Das Konfliktpotenzial erweist sich als sehr gross. Ein entscheidendes Problem in dieser Situation ist der kompromisslose Machtanspruch der Kontrahenten. Ohne einen gewissen politischen Konsens wird der Staat kaum von verschiedenen politischen Kräften gemeistert werden und ein Alleingang fördert nur zusätzlich die Konflikte. In dieser Diskussion kommt schnell das Argument der politischen Kultur auf. Die georgische Bevölkerung verstehe die Politik als schwarz-weiss Schema, 'the winner takes it all'! Die Erfahrungen im alltäglichen Leben zeigt jedoch, dass die Menschen hier gewöhnlich kein Nullsummenspiel spielen.
Eine Handvoll Zabli
Momentan ist hier die Saison der Maronen oder vielleicht besser bekannt als Marroni oder wie man sie hier nennt Zabli. Für manch einen ist das Sammeln dieser Früchte ein guter Nebenverdienst, für solche wie mich einfach ein kostenloser Imbiss. Nebenbei habe ich erst hier gelernt, dass Zabli auch ganz gut roh zu essen sind.
Jeden Tag sehe ich unzählige Personen mit Tüten und Rucksäcken (wahrscheinlich die einzige Zeit in welcher Georgier mit Rucksäcken zu beobachten sind, leicht zu verwechseln mit Touristen). Stosst man auf einen Kastanienbaum beginnt das Suchen und Sammeln. Natürlich versucht jeder möglichst viele Zabli zu ergattern und legt sich ins Zeug. Die Stimmung unter den Bäumen bleibt aber stets friedlich und gemütlich. Keiner versucht das Feld unterm Stamm zu monopolisieren und ein jeder kann kommen (sogar ich als Ausländer) und versuchen die Zabli zu finden. Es wird nicht nur keiner ausgeschlossen, normalerweise liegt es den Jägern und Sammlern am Herzen, dass keiner leer ausgeht. Zufrieden ist man schliesslich erst, wenn man zumindest eine Handvoll Zabli hat. So schenkt mir die alte Babuschka ein paar Zabli, der Schuljunge oder sonst wer. Die gegenseitige Akzeptanz unter den Kastanienbäumen hat zudem den Nebeneffekt, dass Kontakte geknüpft werden und Gespräche entstehen. Nicht selten endet die Zabli-Suche in einem vergnüglichen Beisammensein und dem regen Austausch unter den Sammlern.
Vielleicht mutet der ganze Vergleich ein bisschen abstrakt an. Es sei auch jedem überlassen, was man daraus entnimmt. Eines ist aber klar, bei 'willenlosen' Zabli liegt es an den Sammlern, was sie aus ihrer Tätigkeit machen. Unumstritten und glücklicherweise verfügen wir Menschen aber über deutlich mehr Wahlfreiheit und sollten selbst entscheiden in welche Hände wir spielen.

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